Mittwoch, 21. August 2013
In den Kinderschuhen
Wie sicherlich die Meisten weiß ich kaum noch etwas über meine Babyzeit. Ich wurde im Jahre 1986 geboren, ein Tschernobyl-Kind. Was ich von meiner Babyzeit noch weiß, so dass sie mit sehr vielen gesundheitlichen Problemen gekennzeichnet war. Ich hing auch nicht an Mutters Brust, wegen der gefährlichen radioaktiven Wolke. Trotzdem Entwickelte ich mich dann normal. Ich kann mich nicht erinnern, mich meine Eltern jemals explizit über mein Babydasein gefragt zu haben. Ich weiß aber, dass ich geliebt wurde und dass auf mich aufgepasst wurde. Schaue ich auf alte Fotos, so sehe ich eine meist glückliche Familie. Viel im Urlaub, viel an der Natur, mit viel Aktivität. Meine Mutter ist fast 30 Jahre jünger als mein Vater, ein Problem, dass vor allem jetzt, im hohen Alter meines Vaters zu immer größeren Problemen führt. Die Eheschließung ist ein großes Geheimnis. Was uns Kindern, ich habe eine ältere Schwester, allerdings bekannt ist, ist, dass die Eheschließung, genau aus dem Altersunterschied unter keinem guten Stern stand. Meine Mutter wollte auf Teufel komm raus meinen Vater, hingegen aller Warnungen. Es gibt hier also keine romantische Geschichte, die es voll Stolz zu erzählen gibt.
Als ich in den Kindergarten kam, war ich ein kleiner Teufel. Frech, extrovertiert, selbstbewusst und neugierig. Ein, fast schon, zu aufgeweckter Junge. Als wir zu Bekannten auf ein Segelschiff eingeladen wurden, klaute ich das Rambomesser des ältesten Sohnes der Bekannten und zerschnitt das Außenboot mit diesem. Als Strafe dafür musste ich in die Kajüte und musste dort bleiben. Da ich mit der Strafe nicht einverstanden war, pinkelte ich mitten auf die Matratze in der Kajüte. Aus Frust. Auch zog ich mich gerne nackt aus, und versuchte den Kindergärtnerinnen zu entkommen. Sie hassten mich! Auch beim Abschlussbild des Kindergartens waren für mich andere Dinge wichtiger, als auf einem beschissenen Abschlussbild zu sein mit Leuten, die ich eh nicht leiden konnte. Als mein Vater ein nagelneues Auto gekauft hat, leiterte ich am Auto an, und zerkratzte das Dach des neuen Autos. Ebenso verbot mir mein Vater mit einem wichtigen Gerät, dass er für seinen Funkverkehr brauchte zu spielen. Dieses Verbot machte das Gerät für mich nur interessanter, wodurch es natürlich kaputt ging. Auch machte ich die Lieblingskassetten meiner Schwester kaputt, nannte die Eltern anderer Kinder, die ich nicht leiden konnte vor ihnen Arschlöcher. Ohnehin machte ich auch bei meinen Freunden und Bekannten gerne Dinge kaputt. Ich kenne die Beweggründe dafür nicht mehr. Vielleicht war es Unvermögen, Buhlen um Aufmerksamkeit oder sonst etwas.
Meine Mutter war zu der Zeit in einem Angestellten-Verhältnis in einem kleinen Laden, sie konnte sich die meiste Zeit frei nehmen und war immer für uns da, wenn wir nach dem Kindergarten oder von der Schule kamen. Als Kind ging ich gerne zu einem Bauernhof und half dort, was ich eben helfen konnte. Dort befreundete ich mich so gut mit einem Hund an, dass dieser mich immer zum Kindergarten begleitete und auf meinem Weg dorthin auf mich wartete. Es berührte mich damals sehr, als er gestorben ist und eines Morgens nicht mehr auf mich wartete.
Unterm Strich war ich ein aufgeweckter Knabe, immer munter. Ich brach mir wegen meiner Aufgewecktheit öfter den Arm, war einige Zeit auch im Krankenhaus, aber nie etwas weltbewegendes. Am Ende des Kindergartens wurde noch ein Sehfehler bei mir korrigiert, weshalb ich ein Jahr später eingeschult wurde. Mein Vater, der zu dem Zeitpunkt schon in Rente ging, verbrachte die meiste Zeit mit mir. Alles in allem waren meine Kinderjahre sehr schöne Jahre. Erst heute war ich mit meinen Eltern in einem Tal, in dem wir auch früher oft waren, als ich noch ein kleiner Junge war. Komischerweise weiß ich von früher, von vielen Ausflügen und tollen Dingen kaum noch etwas. Dafür überwiegen aber die schlechten Erlebnisse in meinen Gedanken. Ich weiß, dass ich eine schöne Kindheit hatte, wir viel unternommen haben und auf mich aufgepasst wurde. Warum ich nur das negative sehe, weiß ich nicht. Ich sollte Dankbar sein für meine Kindheit und doch streite ich mich wegen meinen Eltern manchmal wegen einem Scheiß. Vielleicht auch ein Ausdruck der Depression. Wer weiß, vielleicht fällt es mir später, wenn mein Leben in den richtigen Bahnen ist, leichter, mich an schöne Dinge zu erinnern. Ich hoffe allerdings nicht dann, wenn meine Eltern eines Tages gestorben sind und ich ihnen bis dahin nicht wirklich meine Dankbarkeit zeigen konnte. Dankbarkeit für ihre Geduld, ihre gute Erziehung, Bildungsmöglichkeiten, Aktivitäten und Liebe in all der Zeit, in denen ich es ihnen nicht einfach gemacht habe. Vor dem Tag an dem meine Eltern sterben habe ich eine riesen Angst. Als Kind betete ich schon dafür, dass wir nie krank, immer glücklich und vor allem alt miteinander werden. Mir wird natürlich immer bewusster, dass dieses Gebet nicht erhört werden kann und vor allem, dass diese Angst zu einer schlimmen Krankheit führte, nämlich zu einer Depression.

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